Ich habe ein Buch mit Kurzgeschichten von Lucia Berlin gelesen. Schräge Geschichten zum Teil und schwierige Geschichten meist. Den Leuten geht es nicht wirklich gut. Das Leben gelingt ihnen mässig. - In der Story "Nach Hause finden" überlegt sie sich (viel Autobiografisches in den Geschichten), was sie im Leben alles verpasst hat. Sie überlegt es sich, als sie schon im Rollstuhl ist und Sauerstoff braucht - auf ihrer letzten Wegstrecke. Da ist kaum mehr viel nachzuholen, einzuholen. Eines Tages sitzt sie auf der anderen Veranda als sonst und beobachtet, dass unzählige Krähen ihren Ahorn als Schlafbaum benutzen:
"Natürlich könnte ich in einem Buch nachsehen oder jemand anrufen und nach den Gewohnheiten der Krähen fragen. Aber was mich stört, ist, dass ich sie zufällig bemerkt habe. Was habe ich sonst noch verpasst? wie oft war ich in meinem Leben gewissermassen auf der hinteren Veranda statt auf der vorderen? Was hat man mir gesagt, ohne dass ich es hörte? Welche Liebe mag es gegeben haben, die ich nicht spürte?"
Es ist eine Kunst im Älterwerden, sich immer weniger zu grämen über das, was man (vermeintlich oder wirklich) verpasst hat. In welcher Kunstschule lernt man das?
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