Weinlese gibt es, und die Kartoffelernte früher war gewiss auch eine Lese. Das Ergebnis der Lese ist ein voller Keller, voll von Wein oder voll von Kartoffeln. Oder ein erfüllter Geist, wenn denn die Lese mit Buchstaben zu tun hat, mit Wörtern, Sätzen. Wenn das, was ich lese, mich berührt, packt. - Immer am Sonntag halten wir Nachlese, d.h. wir lesen beim Morgenessen, was wir gesammelt haben, um es in Ruhe zu lesen. - Manchmal geschieht es dann, dass ich mich verstanden fühle von einem fernen Autor, einer unbekannten Autorin. Heute so geschehen bei Tomas Espedal, einem Norweger:
"Es gehört nichts dazu, zu reisen, neue Orte zu sehen, schwieriger ist es, jeden Tag dieselbe Strecke zu gehen, dieselben Orte zu sehen, auf eine neue Weise, vielleicht, aber dennoch, dieselben Strassen, dieselben Häuser, um einen neuen Gedanken zu finden, eine ganz neue Art, derselbe zu sein."
Dieses Immer-das-Gleiche und doch stets Neue habe ich mit unserem Hund gelernt. Er ist lange schon nicht mehr bei uns, aber so war es mit ihm: Jeden Tag die bekannten und doch neuen Waldwege abgehen und staunen, dass es nie, nie langweilig wurde.