Mittwoch, 31. Oktober 2012

Sitzungen - überhaupt nicht öde

Gestern Abend war Lektorinnen-Sitzung in Göschenen. Das einzige Ziel besteht darin, für ein weiteres halbes Jahr zu allen Gottesdiensten in Göschenen eine Frau einzuteilen, welche die biblische Lesung liest und die Fürbitten mit uns betet. Das ist das einzige Ziel. Aber darüber hinaus sind diese LektorInnen-Sitzungen an drei Orten für mich ein unbezahlbares Reservoir für das Aufnehmen von Stimmungen und Meinungen in den entsprechenden Pfarreien. Ich komme von diesen Sitzungen in Göschenen, Wassen und Gurtnellen-Wiler heim, reich an Informationen und voll von Lachen und Mitfühlen. Ich höre, wie die Frauen (und wenigen Männer) an Ort, die kirchliche Lage und die Weltlage einschätzen. Ich bekomme neue Blickwinkel und merke, wo wir besser oder anders informieren müssen vom Team oder vom Vorstand her. Schwer wiegende und unbezahlbare Stunden und überhaupt nicht öde! Schoggistängeli inklusive, die eine der Frauen für jede mitgebracht hat.

Montag, 29. Oktober 2012

Über den Tod hinaus

Mein Vater ist vor 18 Jahren gestorben. Das ist eine lange, lange Zeit. - Heute habe ich aufgeräumt - auch alte Zeitschriften. Ich habe ein altes "Du" von 1983 in die Hand genommen: "Rudolf von Salis" stand auf dem Titelblatt als Hauptthema. Der alte Herr hat sich immer zur Geschichte und zur politischen Aktualität in der Schweiz geäussert. Mal sehen, was in diesem alten Du-Heft steht, ob ich das zum Altpapier lege oder behalte? - Ich schlage das "Du" auf, und entgegen fliegt mir ein A4-Blatt, vollgeschrieben mit der Handschrift meines Vaters. Ich habe dieses Papier noch nie gesehen. Mein Vater hat zwanzig Stichwörter zu den "Zehn Geboten" aufgeschrieben, Konkretisierungen der Zehn Gebote, z.B. Verantwortungsbewusstsein, Toleranz, Friedensliebe, usw. als zwanzigstes Stichwort "Demut". - Ich habe bis heute nicht gewusst, dass sich mein Vater je so ernsthaft mit hochreligiösen Themen befasst hat, so ernsthaft, dass er das alles abgeschrieben und in das alte "Du" gelegt hat. Ich habe heute eine Botschaft aus einer längst vergangenen Welt bekommen.Sie ist angekommen. Danke, Paps! gut gemacht!

Sonntag, 28. Oktober 2012

Die Büchse rinnt

Kerzen ziehen gibt bei mir immer eine Sauerei in der Küche. Aber heute, wo es schneit, ist es einfach an der Zeit, die Kerzenresten vom letzten Winter in zwei neue, grosse, dicke, blau-rot-gestreifte Kerzen zu verwandeln. Andere gehen ins Schneegestöber; ich bleibe zu Hause und halte mich warm. Ärgerlich ist nur, dass meine altgediente hohe Aludose, in der ich den Wachs am liebsten schmelze, rinnt. Jahrzehntelang habe ich Kerzenreste in dieser Dose geschmolzen, und nun ist sie hinüber! Ach, sage ich mir, schon wieder etwas, das ich im Frühling nicht zügeln muss. Das ist die Losung dieses Winters: Alles verbrauchen, was man kann - Konfitüre, Wein, Bastelmaterial. Alles kontrollieren auf Tauglichkeit oder Unverzichtbarkeit im nächsten Lebensabschnitt. Aber wie pflegt Reto zu sagen: "Jetzt bin ich noch hier!"

Samstag, 27. Oktober 2012

Felix der Hase und ich

Heute Taufe in Elsau! - Leider konnte ich mit den Kindern nicht das Taufwasser holen am Brunnen; es kam zuviel Nass vom Himmel auf uns herab. Aber wir hatten eine schöne Tauffeier mit Felix dem Hasen, der in die Welt hinaus ging und Briefe schrieb. In der reformierten Kirche von Elsau. Und danach wurde uns ein  gediegenes thailändisches Essen kredenzt beim Täufling zu Hause. - Wir sind froh, dass der angekündigte Schnee unsern Heimweg nicht behindert hat. - Was Felix der Hase und ich gemeinsam haben? - Wir schreiben gern auf, was wir erleben.

Freitag, 26. Oktober 2012

Die Welt entdecken

Die Taufe morgen, die ich spenden darf, steht unter dem Motto "Die Welt entdecken". Das ist gut so. Das gefällt mir. Wir alle tun das ein Leben lang - die Welt entdecken. Am Anfang geht es nicht sehr weit, in der Mitte des Lebens vielleicht schon, und am Ende beschränkt sich unser äusserer Horizont erneut. Aber es gibt ja nicht nur ein Weltentdecken nach Kilometern, nach Flugzeit; nach Anzahl geschossenen Fotos. Mich dünkt, dass man die Welt nicht nur entdeckt, wenn man weit fort geht, sondern auch, wenn man da bleibt und mit offenen Augen die Umgebung anschaut oder neugierig ist auf  liebe Mitmenschen. - Ich bin sehr neugierig auf die neuen Menschen, die ich morgen kennen lerne, und ich freue mich auf diejenigen, die ich wieder einmal sehe und die ich gern habe - auch über Distanz.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Viel zu faul

Sage ich zu Ehemann Reto beim Morgenessen: "Du, wenn ich pensioniert bin, lege ich mich aufs Sofa und sehe nur noch fern; ich bin viel zu faul für alles." - Schöne Vorstellung, einfach da liegen unter einer warmen Decke und gucken, was die mir in die Stube flimmern! Dann muss ich über nichts mehr nachdenken, schon gar nicht über die katholische Kirche in all ihren Ausfaltungen. Dann muss ich mich nicht mehr aufrappeln und   gute Ideen haben. Dann lasse ich los und komme mir abhanden, verschwinde in dem ganzen Geflimmer und Geflunker on TV. - Sagt mein Ehemann ganz ruhig: "Das glaube ich dir nicht." -

Eine halbe Stunde später kommt mir ein Satz in die Hände:
"Oft zeigt sich, dass der Mensch wird, was er glaubt."

Huch, ich glaube sofort, dass ich eine aktive Alte sein werde. Nix Sofa for ever!

"umeläutsche"

Ich habe online im Schweizer Idiotikon nachgeschaut, was "läutsche" bedeutet. Weil ich am "Umeläutsche" bin. - Da gibt es zwei Erklärungspfade: 1. Eine Läutsche ist ein weiblicher Hund. Diese Läutsche strielt herum, um ihr "Wohlgefühl" zu suchen, wie es heisst. - Na ja! - 2. Läutsche heisst auch ein berühmter Weinberg. - Ich stelle mir natürlich lieber vor, dass ich in einem schönen Weinberg herumschlendere, ein bisschen ziellos, mit viel Zeit, mich der Musse hingebend. - Tatsache ist, dass ich viele Termine an unterschiedlichen Orten habe und also läutschen MUSS.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Mit den Sternen aus dem Haus, im Nebel zurück

Ich habe in Zürich vom Wetter im Urner Oberland "bluffet". Habe meiner Freundin erzählt, dass wir eigentlich NIE Nebel haben. Dass bei uns die Sonne sozusagen IMMER scheint. Und dass  ich deswegen nur das leichteste "Lismerjäggli" angezogen habe für meine Reise nach Zürich. Dass ich nun in Zürich, dem Nebelloch, zuerst eine billige, aber warme Jacke habe kaufen müssen, um in dieser kalten, grauen, nassen Luft nicht zu erfrieren. - Meine Freundin wurde richtig neidisch. Wir haben trotzdem ein paar feine Stunden miteinander verbracht und uns warm verabschiedet. - Was aber habe ich im Bus ab Erstfeld "obsi" erfahren? Dass mich die Sterne am frühen Morgen nur genarrt haben. Dass nachher der Nebel auch hier heroben Einzug hielt. Dass ich irgendwie eine Lügnerin bin.

Montag, 22. Oktober 2012

Äs Gschänk vom Himmel

Am nächsten Samstag darf ich taufen. Ich freue mich darauf. Da wird ein Mundartlied von Andrew Bond vorkommen - "Äs Gschänk vom Himmel" heisst es. Natürlich geht es um unsere Kinder, welche ein Geschenk vom Himmel sind. Ob wir uns dessen immer bewusst sind? Oder nur, wenn alles rund läuft; das Kind herzig und brav ist? - Ach, wenn wir uns dessen immer wieder bewusst sind, ist es gut. Mehr schaffen wir doch gar nicht. Wir sind auch nur Menschen. - Aber im Lied geht es auch um das Leben, das ein Geschenk des Himmels sei. - Immer oder nur, wenn es rund läuft; der "Liebegott" brav ist? - Nur ein Kinderlied singt Andrew Bond. In einfachen Worten. Aber man könnte ins Grübeln kommen. Wenn das Wetter nicht so wunderschön wäre! Wenn diese (letzten) goldigen Herbsttage nicht ein wahres Geschenk des Himmels wären! - Ich muss die letzten Sonnenstrahlen geniessen...

Sonntag, 21. Oktober 2012

Forfait geben

Das ist ein alter Ausdruck aus meiner Herkunftsfamilie: "Ich muss forfait geben." - Das meint so viel wie: "Ich gebe auf; es geht nicht mehr." - Man gibt nicht gern forfait. ICH gebe nicht gern forfait. Ich komme mir vor wie eine Memme, schwach, ungenügend. - Aber heute muss ich forfait geben. Ich kann am Abend nach der Chilbi in Wassen mit Kabis und Schaffleisch und hoffentlich vielen Begegnungen nicht noch nach Luzern reisen zu einem Arbeitsnachtessen, wo ich doch gestern in der Nähe von Liestal war und am Donnerstag noch im Kanton Bern, und am Dienstag gehe ich nach Zürich, am Samstag nach Winterthur, wo ich taufe. Ich gebe forfait. Ich bin keine Memme.

Samstag, 20. Oktober 2012

Zwei Tage später

Am Donnerstag sind wir vom Mini-Lager zurück gekommen - jetzt ist Samstagmorgen. Auf meinem PC findet sich die Frage einer Oberministrantin, wie ich jeweils das Geld einteile übers Jahr, das für die Mini-Arbeit zur Verfügung steht. - Tolle Frage. Bedeutet, dass die jugendliche Lager-Leitung weiter geht. Dass sie es wissen wollen. Dass sie die Leitung hoffentlich von mir übernehmen, wenn ich das Feld räume. - Ich gebe gern alles an sie weiter, was ich in langen Jahren selbst gelernt habe über das Leiten, usw. Aber sie dürfen es dann auf ihre Art tun. Sie dürfen es auch viel besser tun, als ich es getan habe. Hauptsache, sie tun es, oder jemand tut es. Das Lager haben sie ganz toll "gemanaged". - Ich bin zwei Tage danach immer noch fast ständig im Lager. Gedanklich. Bildlich. Gefühlsmässig. Und ich freue mich über Rückmeldungen von Müttern, die bestätigen, dass es gut war. - Und siehe, es war gut, was wir getan haben! Das ist eine religiöse Aussage. Ich glaube an Lagergemeinschaft. Und mehr.

Und hier waren wir: Im Lagerhaus "Alpenblick", Schwarzenegg

Freitag, 19. Oktober 2012

Mich einfinden im normalen Leben

Die vier Tage Mini-Lager sind vorbei. Sie waren so ausserordentlich, so jenseits des Gewohnten, dass sie mir vorkommen wie gefühlte zwei Jahre Lebenszeit. Natürlich, weil sie so anstrengend waren, aber nicht nur deshalb. Sie machen auch so froh wie mehrere Geburtstage zusammen. Sie sind so eindrücklich wie eine Reise um die Welt. Sie bieten so viele Erfahrungen wie eben zwei Lebensjahre, komprimiert auf vier Tage. - Du lernst in vier Tagen viele Kinder und Jugendliche kennen, und du lernst dich selber besser kennen, wenn du drei Nächte kaum schläfst. Das gibt einen Flash. Das hat Rauschwirkung. Ohne alle gefährlichen Nachwirkungen. - Heute versuche ich mich wieder einzufinden im normalen Leben. Aber was ist schon normal hier im Urner Oberland? - Nach viereinhalb Jahren hier reibe ich mir immer noch oft die Augen und weiss nicht, wache ich oder träume ich?

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Minilager Schwarzenegg 2012

Unser letztes Lager ist Geschichte! - Oder eher Erinnerung. - Wir sind voller Bilder von müden Kindern und Jugendlichen. Von selbstbewussten Kindern und Jugendlichen. Von  mutigen. Von hilfsbereiten. Von fürsorglichen. Von fantasievollen. Von freundlichen. Von hungrigen. Von einsatzbereiten. Von total dreckigen...Wir sind voller Bilder von einem guten Lager mit tiptoppen OberministrantInnen und zwei unbezahlbaren freiwilligen Köchinnen. Wir sind froh und glücklich und ziemlich müde!

Sonntag, 14. Oktober 2012

Um drei Uhr wach, um vier Uhr wach, um fünf Uhr ...

Nervös? - Wer ist da alles nervös vor dem Minilager? - Iiiiich! Und Reto und einige von unserem jugendlichen Leitungsteam. - Aber jetzt geht es bald los, und dann wird es besser. 40 Kinder und vier Erwachsene fahren "in ein unbekanntes Land".  Das Land ist immer noch geheim. Psssst! Aber Reto hat eine Flagge gamalt - nur kennt die wohl niemand...Ich muss. es geht los!!!

Morgen 65, heute feiern...

Morgen wird Reto 65 Jahre alt - ein markanter Geburtstag. Wir fahren aber morgen ins Minilager. Deshalb gehen wir heute auswärts essen; mmmmh, ich freue mich. Und ich habe Reto meine Geburtstagswünsche heute beim Morgenessen überbracht: 65 selbstgemalte Miniaturblümchen, für jedes Lebensjahr eines, keines gleich wie das andere, immer reicher werdend, wie das Leben selbst. - Zum Glück ist mein kostenfreies Geschenk angekommen!

Samstag, 13. Oktober 2012

Ein Jahr lang schlafen

Reto und ich haben zusammen geputzt -  im Schweisse unserer Angesichter. Jetzt geht es weiter mit Kochen (Reto) und kopierte Lieder zusammentragen und zusammenheften (ich). Die grösste Aufgabe am heutigen Tag besteht darin, alles für das Minilager bereit zu stellen. Nichts Wichtiges vergessen! - Wir alten/älteren/halbpensionierten und fast pensionierten Leutchen sind "afig echli müed". Müde von??? - Wohl vom Leben, oder einfach davon, dass dauernd sehr viel läuft. Könnte man das nicht besser verteilen? Wenn wir dann ganz pensioniert sind, vermissen wir vielleicht den ganzen Betrieb. Jetzt aber möchte ich am liebsten ein Jahr lang schlafen.

Freitag, 12. Oktober 2012

Es ist halb zwölf Uhr, und die Haut spannt

Das Schafsvoressen, das uns gestern geschenkt worden ist, schmort im Dampfkochtopf. Im Gang stapeln sich Einzelteile wie Pfadikessel, halbfertige Lagerfahne, Musikanlage mit Lichtshow-Effekt, usw. - Reto malt fürs Lager. Ich habe den Taufablauf fertig gestellt für eine Taufe nach dem Lager. Die Predigt fürs Wochenende steht noch nicht, aber die Utensilien, die ich brauche, liegen kreuz und quer vor dem Computer. Lieder muss ich noch kopieren. Der Köchin müssen wir telefonieren. Die Oberminis bekommen noch ein Mail. - Warum spannt mich die Haut im Gesicht? - Ich bin gar noch nicht fertiggestellt für den Tag. Habe keine Tagescrème eingeschmiert, keinen Lippenstift aufgelegt, ja, mich nicht einmal richtig gekämmt. Gut, dass ich wenigstens gebadet und in respektablen Kleidern bin!

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Bin ich schon alt, oder werde ich es erst?

Gerade habe ich getan, was schon lange meine Absicht war. Täglich wollte ich es tun, aber ich habe es doch nicht getan. Es gab da Widerstände, und die haben mit der Frage zu tun: Bin ich schon alt, oder werde ich es erst? - Jetzt habe ich es getan: ICH HABE MEINE ANMELDUNG FÜR DIE AHV AUSGEFÜLLT. Ich habe mich angemeldet für meine Altersrente. Bin ich schon alt, oder werde ich es erst? - Der Satz, den ich in meiner Situation am meisten hasse, heisst: "Man ist so alt wie man sich fühlt." - Ich will genau so alt sein dürfen,wie ich bin. Ich bin 63 Jahre, 6 Monate und 24 Tage alt. Wenn ich richtig gerechnet habe. Wenn ich das noch auf die Reihe kriege...

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Was macht aus einem Ort ein Daheim

Gestern sind wir aus den Ferien zurück gekommen; wir waren in den Bergen. Gestern Abend in Wassen habe ich gedacht: Huch, da sind ja auch lauter Berge! - Weiss ich ja eigentlich schon ziemlich lang, aber warum fahre ich von Bergen zu Bergen in die Ferien? Wo ich doch das Meer lieber habe! - Ist doch alles nicht so furchtbar wichtig, wenn dort, wo man heimkommt, Leute wohnen, mit denen man wohl ist. - Das hat gestern schon angefangen, als wir mit den Rollkoffern am Betagtenheim vorbeikamen: Lauter strahlende Gesichter an den Fenstern und winkende Hände! Und dann heute Morgen: Unser Sekretär, der die Treppe zu uns hinauf rennt, um eine gute Nachricht zu überbringen. Später der Pfarrer und Chef, der zum Kaffee bleibt. Und noch später Sepp, der einen Kürbis und eine Rose bringt und gern ein Glas Weisswein zum Apéro trinkt mit uns. - Daheim ist, wo man mit Menschen vertraut und wohl ist.

Dienstag, 9. Oktober 2012

Der Murmeltierflüsterer

Wir waren noch nie vorher in Saas-Fee in den Ferien. Und wir haben noch nie vorher die Bekanntschaft von handzahmen Murmeltieren gemacht. Aber jetzt hat sich Reto ob Saas-Fee zum Murmeltierflüsterer entwickelt. Und ich habe fast hundert Fotos geknippst.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Marco aus Mazedonien

Die Tomatensuppe stand auf dem Herd, das Brot auf dem Tisch. Zwei Gläser noch leer. Da läutete es. Reto ging nach unten, redete ein wenig und rief dann nach oben: "Ein Pilger...!" - Es tönte wie: Sollen wir ihn hereinlassen? Und die Frage hinter der Frage hiess: Haben wir noch Zeit für einen Pilger, wo doch  Kirchenchorprobe ist, und wo doch noch an einer Taufe gearbeitet werden muss. - Ich gab zur Antwort: "Essen kann er, aber nicht bleiben über Nacht." - Marco aus Mazedonien wäre gar nicht geblieben. Er muss im Freien nächtigen, in der Natur. Er kommt nicht klar mit den Energien anderer Leute. Er will mit Gott und der Natur verbunden sie. Basta! - Er hat das Tischgebet gesprochen, Suppe, Brot und Käse gegessen und sich über den Energiedrink "Rivella" gefreut. Wir haben erfahren, wohin seine Pilgerroute schon geführt hat und wohin sie noch führen wird. Wenn er gut gegessen hat, wandert er 50 Kilometer am Tag. Er hat kein Zelt, nur eine Isomatte und einen Schlafsack. Minus zehn Grad kann er aushalten im Freien. Er ist nordwärts unterwegs. Der Winter kommt. Gott sei mit ihm!

Rosarote Wölkchen

Mein Tag hat früh begonnen, geweckt vom leisen Miauen von Katze Peppina. Bevor sie ins Freie ging, wollte sie ausgiebig gekrault werden. Das tat ich. Auch Kater Nepomuk hatte Bedürfnisse. Das kommt nicht alle Tage vor. Ich gab mich ihm hin, aber meine blutten Zehen rettete ich vor seinen scharfen Zähnchen, ebenfalls die Hände vor seinen spielfreudigen Krallen. Als ich aus dem Fenster schaute, war der Himmel voller rosaroter Wölkchen. Ich nahm es als gutes Zeichen für den Tag. Aber die Tage sind Gemischtwarenläden. Sie bleiben nie rosarot, sondern gleichen eher einem farbigen Schleckstengel. Man beginnt mit rosa und arbeitet sich durch alle Farben hindurch. Muss ja nicht mit schwarz enden...


Montag, 1. Oktober 2012

Es hat auch Reto erfasst

Am 15. Oktober reisen wir ins Minilager mit 40 Kindern und Jugendlichen. Schon jetzt schlafe ich schlecht, weil mir ausgerechnet in der Nacht Tausenderlei einfällt, was noch zu Ende zu denken ist. Gestern Abend habe ich Reto vom Problem der Zimmereinteilung im Lagerhaus erzählt. Zuerst hat er ganz motzig gesagt: "Da sagen wir , wer wohin kommt. Fertig!" - ABER: Geschwister wollen zusammen sein. Freundinnen können nicht ohne einander. Und da sind immer die EinzelgängerInnen, denen es auch wohl sein soll. SONST NIMMT DAS HEIMWEH ÜBERHAND. - Jetzt hat Reto auch schlecht geschlafen. Er hat die ganze Nacht Zimmer eingeteilt.

Heute Lange- Weile

Heute bin ich mutterseelenallein zu Hause. Reto macht mit Sohn Stefan einen "Mannetag". Früher, als die Kinder noch Kinder waren, haben wir das immer wieder gemacht - "Manne- ond Frouetäg". Reto mit Stefan, ich mit Judith. - Ich bin also allein im Pfarrhaus. Die Hauptarbeit für heute ist getan. Natürlich liegt noch manches, und ich werde auch das Eine und Andere noch anfassen, wenn nicht anpacken. Kann ich nicht so genau wissen, weil ich so viele Bilder im Kopf habe von den letzten Tagen, dass ich ein wenig Lange-Weile brauche - Zeit, um zu verdauen. Bilder in Kopf-Schubladen einordnen. Sätze im Tagebuch festhalten oder wie einen Ballon loslassen, wegfliegen lassen. Verweilen. Spreu vom Weizen trennen; Unverdauliches vom Verdaulichen. Dass dann wieder Hunger kommt. Hunger nach Leben.