Donnerstag, 28. August 2014

"Vornehm muss die Welt zugrunde gehen"

Gestern war ich mit Tochter Judith in Zürich. Das Kindchen Kaya wurde vom Grossvater Reto gern und bestens gehütet. - Judith und ich haben seit einem Jahr eine neue Rollenverteilung. Sie ist Mami, und ich bin Grosi. Natürlich nicht nur, aber stark und fest verankert in unserem Gemüt. So waren die Fixpunkte unseres Zürichbesuchs der "Kinderbuchladen" und der Spielzeugladen "Pastorini". Wir haben geschwelgt und hätten Kaya gern soviele Bücher und Qualitätsspielzeug mitgebracht, wie wir es gar nicht hätten tragen können. Aber man darf nicht übertreiben.

Übertrieben haben wir es dann ein bisschen mit der Wahl unseres Mittagessenslokals. Wir sind die Treppe mit dem roten Teppich im "Storchen" hochgegangen und haben uns auf die Terrasse durchgefragt. Mein Gott, welch schöner Ort! Allerdings gab es nicht allzuviel Essbares, das ich auch zu zahlen bereit war. Es war aber ein überraschender Zusatzgenuss, als der Kellner uns MIT WEISSEN HANDSCHUHEN Käse vom grossen Stück auf unsere KALBFLEISCHRAVIOLI rieb. Mit weissen Handschuhen!!! - "Vornehm muss die Welt zugrunde gehen". hätten dazu meine Eltern gesagt.

Mittwoch, 27. August 2014

Angewärmter Stuhl

Wir geben uns gegenseitig die Tasten in die Hand - diejenigen des Laptops. Und ich habe den Stuhl von Ehemann Reto gerade auch übernommen - angewärmt, wie er ist. - Angenehme Wärme. Vertraut. Nicht auf jedermanns Stuhl setzt man sich gern. Wie man auch nicht jederfraus Standort einnimmt. - Aber fertig philosophiert. Meine Tochter kommt. Wir gehen aus.

Dienstag, 26. August 2014

War gestern Montag - ist heute Dienstag?

Es läuft ständig etwas. Wir auf den Goldenberg. Gestern. In die Stadt auf den Markt. Heute. - In meinen Büchern laufen die Leute auch dahin und dorthin. Und erst noch an Orten, die ich manchmal auch kenne. Was ist mir passiert, was ihnen?

Wohin ich morgen gehe, weiss ich. Was ich übermorgen tue nicht. Aber Freitag bis Sonntag ist es klar, wo ich mich bewege. - Heute kommt Besuch angelaufen. Gut.

Aber ist heute wirklich erst Dienstag, wo doch so viel läuft, dass schon Donnerstag sein könnte...

Montag, 25. August 2014

Im Schlaf

Zwar haben Reto und ich den Film "Ziemlich beste Freunde" im Kino gesehen, aber gestern on TV waren wir gern wieder mit dabei. Anschliessend geht man wirklich zufrieden und fröhlich zu Bett.

Kater Nepomuk hat sich mit mir zusammen zurückgezogen. Er liebt meinen schwarzen Lederstuhl, eines meiner ersten Möbelstücke aus meiner jungen Erwachsenenzeit. Lebt immer noch. Sitzt sich gut. Schläft sich gut.

Mitten in der dunklen Nacht bin ich erwacht. Nepomuk hat geträumt und zarte, sanfte Laute von sich gegeben. Ich habe gar nicht gewusst, dass Kater im Schlaf reden können. Das musste ein schöner Traum sein - vielleicht auch von Freundschaft oder Liebschaft. Ich habe selig weitergepennt.

Sonntag, 24. August 2014

Was machst du an einem Sonntagmorgen?

Reto sammelt im Garten Verblühtes und Verdorrtes zusammen. Ich habe zwei reife Walderdbeeren gefunden - eins für dich, eins für mich. Eine Nacktschnecke gemordet. Ich will nicht teilen. Nicht mit Schnecken, nur mit Raupen, weil ich Schmetterlinge mag. Alltägliche Diskriminiereung.

Was bloss tun wir mit den "grosskopfeten" Lattichen? Auf dem Markt als Endiviensetzlinge gekauft. Sollen sie uns die Bitternis des Lebens nahe bringen? Ist es gut, nicht immer Süsses und Megafeines zu essen? - Ich glaube schon.

"Was machst du an einem Sonntagmorgen?" stand im facebook zu lesen. - Der Sonntagmorgen ist viel zu schnell vorbei. Als ich noch zur Kirche ging, dauerte er länger.

Samstag, 23. August 2014

Ausscheren

Es ist erst halb elf Uhr am Samstagmorgen, aber ich bin proppenvoll von Themen und Gefühlen. Habe nur die Zeitung gelesen. Steigen nur Bilder von den letzten Tagen in TV und Zeitung erneut auf. Bin nur angefragt online, ob ich nicht dies und jenes - alles sehr wichtig - auf facebook veröffentlichen könnte. Ich bin proppenvoll.

Proppenvoll auch vom gutem Essen der letzten Tage. Mit der Frage: Haben wir richtig eingekauft? Fleisch aus tiergerechter Haltung? Salat without Novartis und Co.?

Zuviel, zuviel, von allem zuviel!

Ausscheren möchte ich. Mich kurz halten. Kahlschlag.

Gut, dass es doch etwas zum Lachen gibt! - Reto hat sich von mir die Haare scheren lassen. Hat den Aufsatz nicht auf den Scherkopf gesetzt. Nun ist der Kahlschlag auf seinem Kopf perfekt. Ihm gefällts. Ich frage: "Warum hast du so grosse Ohren, lieber Ehemann?"

Freitag, 22. August 2014

"Zettelitis"

Überall liegen Zettel. Einkaufszettel, Menüplan übers Wochenende. Finanzplan bis Ende Monat. Eine verlangte Telefonnummer zum Weitergeben. Gästeliste für Gäste in der Zukunft, damit wir nicht einsam werden. Merksprüche für stille Minuten. - Aber der fröhlichste Zettel heute heisst so: "Rehbock statt Vogel gesehen". Meine beste Freundin war mit einer Gruppe Vögel beobachten, und da hat sie als Erste (!) einen Rehbock gesehen statt irgendwelche Vögel.

"Rehbock statt Vogel" - welch schöne Aussichten für den heutigen Tag! Bloss nichts partout erwarten, dann siehst Du Unerwartetes.

Donnerstag, 21. August 2014

Der Tarten-Wahnsinn

Kauf deinem Ehemann ein Tarten-Kochbuch, und du erlebst etwas! - Das war so: Ich hatte ein bisschen zusätzliches Geld bekommen, und wir hatten ein bisschen zu viel Zeit am Hauptbahnhof von Zürich. Wir streunten durch "Press and Books", wie heutzutage der Kiosk im Untergrund heisst. Da sah Reto ein rund-wähenförmiges Kochbuch mit dem Namen "Kuchen und Tartes". Ich sah seine Wunschaugen und kaufte es ihm. - Heute nun ist die erste Tarte am Entstehen.

Wir sind früher als sonst aufgestanden. Wir haben den Kaffee schneller als sonst ausgetrunken. Ich bin geflüchtet. Aber ich höre von weit (5m oder so; unsere Wohnung ist klein), wie aufwändig und kompliziert diese Tarte zu machen ist. Und welche unvorhergesehenen Schwierigkeiten sich auftürmen. Liest mein Mann doch plötzlich und erstmals, nachdem er das Rezept gestern "gründlich" durchgesehen hat, dass er eine Tartenform mit Hebeboden hätte beschaffen sollen. - Will ich aber nicht. Ist kein Platz in unserer rudimentär eingerichteten Küche. Wir haben ja nicht einmal mehr einen Handmixer. - Ha, das ist auch so eine Sache, da muss mein lieber Reto Rahm von Hand "schwingen" wie früher sein Vater ein Leben lang tat! Wahrscheinlich kommt nächste Woche überraschend ein neuer Mixer ins Haus?!

Unterdessen ruht die Tarte, und Reto arbeitet an der gefüllten Zucchetti fürs Gäste-Mittagessen, auch ein neues Rezept. - Wenn ein Mann kocht, dann aber recht! Nicht einfach so "Härdöpfelstock ond Sosse dra". Ehrlich wahr. Ich bin voller Bewunderung für meinen Helden am Herd!

Mittwoch, 20. August 2014

Andreas Flückiger

Wer ist Andreas Flückiger? - Nie gehört? - Wie ist es mit Endo Anaconda? Sänger von "Stiller Has"? - Ah, ja, kenne ich. Habe zwar keine CD von ihm, aber gefällt mir nicht schlecht. - Andreas Flückiger und Endo Anaconda sind derselbe Mensch. Halt Geburtsname und Künstlername.

Frauen ab fünfzig, so meine Erfahrung, verändern oft ihren Vornamen. Entweder sie heissen ganz anders, oder allfällige gebräuchlichen Verkleinerungsformen auf "li" oder "i" werden definitiv abgelehnt. Recht haben sie. Endlich!

Möchte ich auch anders heissen oder eine andere sein oder werden? - Frau kann ja spielen mit Phantasien. Ohne Selfies in der Welt herumzuschicken! - Wer oder wie wäre ich gern. Gerner. Am liebsten? - Ist ein bisschen spät im Leben, mir das zu überlegen. Aber immerhin habe ich einen neuen Namen, den ich neben meinem gebräuchlichen führe; ich heisse auch noch "Grosi". Muss mich aber noch ganz gehörig daran gewöhnen.

Dienstag, 19. August 2014

"Schiffli ha!"

Nein, Klein-Kaya kann noch nicht wirklich betteln. Ich meine in Worten. Bis jetzt zeigt sie mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf das, was sie will. Wenn es nicht kommt, macht sie so etwas wie "öhhh, öhhhhh, öhhhhhhh...". Sie wird dabei immer lauter und "überzeugender". - Aber heute im "Vollenweider" in der Stadt vor dem wunderfeinen Macchiato war ich es, die sagte: "Schiffli ha." - Übersetzt in Erwachsenendeutsch: "Ich will über die Strasse in den Spielzeugladen "Spikus" gehen; ich muss ein Schiffchen haben." - Vorgegeben habe ich, dass es für Kaya sei, weil wir am Sonntag auf dem Vierwaldstättersee waren. Aber in Wirklichkeit habe ich an dem blau-weissen Segelschiffchen viel mehr Freude als sie. Weil ich schon weiss, wie man damit spielen kann. Kuh einladen und ausladen. Matrose ahoi! Die Holzfrau dort will auch noch einsteigen. "Halloooohhhh!" schreit sie laut. - Ich spüre die Weite und den Wind. Ich sehne mich nach dem Meer. Wie ist es schön, unser Holzschiffchen, Kaya's und meins.

Montag, 18. August 2014

Krapplackrosa

Wer braucht schon 192 Farbstifte ausser Enkelin Kaya und mir?! - Sie hat heute voller Energie und Ausdauer alle Farbstifte einzeln und Hände-voll auf meinen Teppich geknallt. Dann war der gelbe Topf leer, und wir haben die Hände hineingehalten, um das Leer zu spüren. Eingeräumt habe ich viel, viel später. Andächtig, weil ich eben meine Farbstifte mag.

Insbesondere mag ich die Namen der Farben, die Verbindungen herstellen, die Inspiration bedeuten, die erinnern. Manchmal machen sie einfach gute Laune wie "lichtblau" oder "maigrün".

Ich nehme dann zwei oder drei schon sehr kleingespitzte Farbstifte aus dem Topf, um mit ihnen Bücher zu lesen, bis sie verbraucht sind, fertig gebraucht. Ich habe immer ein Buch in Arbeit, das ich gründlich lese und wichtige Stellen mit Farbe unterstreiche.

Heute habe ich wieder zwei solche Arbeitsstifte ausgesucht: lichtblau und krapplackrosa. In Englisch "pink madder lake".  - Man sieht nur noch die englische Bezeichnung, weil der Stift schon so kurz ist. Was bloss habe ich mit dem grösseren Rest gemalt, wo ich doch pink nicht am liebsten habe?

Was mit "krapplackrosa" gemeint ist, musste ich mir mit  allen verfügbaren Nachschlagewerken zusammenreimen. "Färberröte" oder "Krapp" ist eine Pflanze, deren Wurzeln schon im Mittelalter zum Färben von Stoffen gebraucht wurden. Pink = rosa. Madder = Krapp. Lake gleich nicht See, sondern Lack. Pink madder lake oder krapplackrosa. Alles klar?! - Unter www.color-check.com gibt es zu hunderten Farbnamen. Einer sammelt sie. Man kann alles sammeln.

Sonntag, 17. August 2014

Schiffe

Uuhhh, morgen kommt  Enkelin Kaya wieder mal zu uns - nach einer unglaublich langen Sommerferienpause. - Ich freue mich auf das Kind, auch wenn es nicht ganz zwäg ist. Erkältet. - Aber uuhhh, ich habe kein Schiff oder Schiffchen zum Spielen. Die Lehrerin in mir möchte morgen vertiefen, was wir heute erlebt haben: Zu fünft waren wir auf dem Brunch-Schiff.

Ich habe kein Bilderbuch mit Schiffen, kein Legoschiff, kein Playmobilschiff - gar kein Schiff! Die Lehrerin in mir leidet ein bisschen. Aber, kommt mir in den Sinn, ich brauche morgen nicht Lehrerin zu sein, Grosi genügt.

Samstag, 16. August 2014

Hallo, ich rede mit mir!

Reto ist wieder nach Zürich gefahren zur Leichtathletik-WM. Marathon will er miterleben; sein Vater war in jungen Jahren Mitglied der Nationalmannschaft in dieser Disziplin. Heute laufen die Frauen.

Ich bin allein zu Hause. Das kommt selten vor. - Ich rede mit mir selber. Kann es nicht lassen, das Reden. Gehört sehr zu mir. - Ich erzähle mir also, was wir tun. Wir waren schon im Eulachpark, um zum Rechten zu sehen. - "Siehst du, Eltern von Kleinkindern benutzen jede trockene Minute, um auf den Spielplatz zu gehen." sage ich zu mir. Und: "Schau mal, die Wirtsleute des Restaurantes müssen heute schon wieder arbeiten, vorbereiten, obwohl das Lokal noch bis Montag Ferien hat. Hätte." - Wer redet da eigentlich mit wem? Ich mit mir. Welcher Teil von mir mit welchem anderen Teil? - "Du", sage ich, "das ist egal. Jetzt kochen wir uns mal einen Teller voll Spaghetti." - Oder müssten es zwei sein? Ich und ich = zwei??

Freitag, 15. August 2014

Goldstaub

Ich zünde wieder Kerzen an. Ich ziehe eine flauschige Jacke über die Sommerbluse. Ich schlüpfe in Hausschuhe. - Meine grosse (!) Lebenserfahrung sagt mir und dir: Mitte August hätten wir immer gern (endlich) Sommer, aber der Herbst beginnt. Immer wollen wir (endlich) ins Schwimmbad und auf die (Göschener-) Alp, aber die  (an-) schleichenden Nebel hindern uns daran. - Zwei Zitate aus "Heftli" und Zeitung liegen quer auf meinem Pult:

"Es gibt Alternativen zum Glück." Judith Hermann > Kerzen, Flausch...

"Erfahrung klingt weniger nach Filzpantoffeln als nach Goldstaub." ("Heftli")

Ich lasse es stieben oder stäuben oder was immer.

Donnerstag, 14. August 2014

Europäische Menschenrechtskonvention

Die neusten Initiativen- Androhungen der SVP machen mir grosse Sorgen. "Das Volk" stimmt selten so, wie ich es gern hätte. - Ich habe das Gefühl, die SVP will uns in ein neues Reduit pressen. Wir allein gegen Europa. Dabei können wir uns nicht einmal mehr selbst ernähren.

Vieles steht auf dem Spiel, so z.B. die Europäische Menschenrechtskonvention. Landesrecht soll vor Völkerrecht gehen. Kündigen wir doch unsere Verträge. - Bei der Europäischen Menschenrechtskonvention sind ausser Weissrussland und dem Vatikan alle europäischen Staaten Mitglied. Alle! - Aber die SVP will ungehindert von Menschenrechten über die Zuwanderung in die Schweiz bestimmen können. Was stört wird gekappt. Auf die Gefahr hin, uns letztlich selbst zu schaden oder unseren Kindern und Enkeln. - Und unserem Ruf in der Welt als humanitär handelndes Land.

Müssten wir nicht gerade die immer grösser und schwieriger werdenden Probleme mit den Flüchtlichsströmen gemeinsam lösen? - Gemeinsam mit all den europäischen Ländern, die sich auch den Menschenrechten verpflichtet fühlen.

Wem oder was fühlen wir uns als Schweiz verpflichtet? - Ich will nicht gebannt warten, was "das Volk" demnächst entscheidet. - Meine erste Pflicht: mich zu informieren.

Mittwoch, 13. August 2014

News-Junkies

Es ist Regenwetter - nichts Neues in diesem Sommer. Reto sitzt heute schon morgens vor dem Fernseher. Würde er allerdings auch bei schönstem Sonnenschein, weil die EM der Leichtathletik in Zürich ihn brennend interessiert. Gestern war er sogar vor Ort. - Ich faste ein bisschen, was Fernsehen betrifft. Mag meinem Ehemann gönnen, dass er das Regenwetter so besser übersteht.

Alain de Botton, der bekannte Philosoph, plädiert ganz allgemein dafür, dass wir unseren Medienkonsum verringern. Weil sowieso die falschen News kommen. Solche, die uns nicht gut tun. Die uns nicht verbessern und aus der Welt keinen bessseren Ort machen. Er würde News favorisieren, die Menschen vorstellen, die z.B. besonders gut sorry sagen können. Die aus einem Streit keine Affäre machen. Solches macht die Welt ein bisschen besser.

Alain de Botton schreibt: "Die Firnis der Zivilisation ist dünn. wir leben am Rande des Abgrunds." - Schaut man in die ferne Welt, glaubt man das sofort. Liest man in der Zeitung, was die SVP alles will, beginnt man sich hier zu fürchten. Die SVP stellt die Europäische Menschenrechtskonvention zur Disposition. Wohin gehen wir??? - Das Volk ist kein sicherer Wert, dass unsere humanitäre Tradition weiter geführt wird. Wir leben am Rande des Abgrunds. Am Rande unserer Seelenabgründe.

Dienstag, 12. August 2014

"Müschterli" (Warenmuster)

Ich habe auf dem Urnerboden ein bisschen Geld verdient mit Verheiraten und Taufen. Mit der Hälfte bin ich heute in die Stadt gegangen, um es auf den Kopf zu hauen, wie ich dem Verputzen, Verschleudern, Ausgeben sage. - Fünf Läden, fünf Kassenbons. Fast kein Geld übrig am Schluss, aber soooo zufrieden.

In der Naturdrogerie - nur schon dieses Wort ist wunderbar - hätte ich gern ein kleines Fläschchen Duftwasser erstanden. Aber wie soll ich wissen, ob der Inhalt mir passt, wenn  ich nur die Ingredienzien lese? Da ist mir in den Sinn gekommen, dass man früher Müsterchen bekam, wenn man fragte. Ich habe sicher ein halbes Jahrhundert nicht mehr gefragt. Aber heute schon. Und es gibt sie noch, die Parfum- Müsterchen in den winzigen länglichen Gläschen mit dem Plastikdeckelchen drauf. Zwei habe ich mitgenommen, und nun rieche ich abwechselnd am rechten und am linken Armgelenk. - "Lavande" oder "1er Mai"?- Mal lieber dies, mal lieber jenes. Oder vielleicht beide?

"Du bist ein Muster ohne Wert" hat unser Vater manchmal zu meiner Schwester oder mir gesagt. Er hat es lachend gesagt. Er hat es gesagt, wenn er gute Laune hatte. - Ich habe heute meine Schwester an ihrem Arbeitsort besucht - und Kaffee bekommen. Ich finde, wir beiden sind keine Muster ohne Wert, sondern total wertvolle Originale.

Montag, 11. August 2014

Crèmeschnitten

Kürzlich lagen im Coop sechs herzige Crèmeschnittchen appetitlich verpackt vor mir. Ich habe widerstanden. - Heute nicht! Was man nicht tun sollte - am Montag den Gelüsten von Wochen nachgeben. Am Montag sind die Dinger nicht mehr frisch. Letzter Tag, an dem sie verkauft werden. Und ich habe gekauft. Selber schuld.

Crèmeschnitten erinnern mich immer an mein Gotti. Immer. - Sie hat sie selbst gemacht. Knusprig frisch gebacken, eine Spur zu dunkel, was ich besonders liebe, wurden sie uns zu Kaffee auf schönem Porzellangeschirr serviert. In der weissen Glasur hatte es nicht nur Puderzucker und Zitronensaft. Da war ein bisschen Kirsch versteckt. Es schmeckte einfach himmlisch oder "gottlich" (Abwandlung von "göttlich" zu Gotti-lich). Das ist ein ewig grosses Glück für mich, weil auch die schlechteste Montagscrèmeschnitte voller Erinnerung und nicht nur voll halbzerfallender gelber Crème steckt.

Muss mal überlegen, welche anderen wiederkehrenden Dinge ebenfalls durch die Erinnerung köstlich sind.

Sonntag, 10. August 2014

Noch nicht wirklich zurück

Ich habe in Flüelen übernachtet und heute gefaulenzt. Reto hat uns bekocht. Und ich habe ihn stundenlang bequatscht, erzählt von Trauung und Taufe, die ich mit dem Paar vorbereitet habe. Achtzehn Arbeitsstunden. - Ich habe durch die Feier geführt. Ich habe die Ansprache gehalten und auch getauft. Der Pfarrer hat verheiratet ohne irgend eine Vorbereitung. So, wie er es immer macht seit fünfzig Jahren. - Und was steht in der Taufurkunde? - Getauft habe der Pfarrer. Warum? - Weil es sonst Knatsch gäbe mit dem Ortspfarrer vom Urnerboden. Mag er das lesen. ICH HABE GETAUFT. Das ist gültig, aber nicht erwünscht von der Hierarchie.

Ja, ich bin hässig. Aber es war trotzdem WIEDER gut. Es war stimmig. Es hat gestimmt für das Paar und auch für mich. Sonst.

Donnerstag, 7. August 2014

Nicht ganz da

Reto hat seinen feinen Härdöpfelsalat gemacht. Dazu gab es Schinkli mit mildem Senf und Tomaten-Gurkensalat. - Ein gutes Essen, aber ich war nicht ganz da. Ich war mehr auf dem Urnerboden. Dort in der Kapelle. Befasst mit der Familie, die am Samstag unter meiner Assistenz Hochzeit und Taufe ihres Kindes feiert. Ich bin jetzt mittendrin und lasse mich nur ungern ablenken.

Der Urnerboden ist die Verbindung der Kantone Uri und Glarus. Am Samstag sehe ich wieder Leute vom Urner Oberland. Ist der Urnerboden auch die Verbindung der Kantone Uri und Zürich? - Vor vier Monaten habe ich geschrieben, was immer noch stimmt:

Immer noch

Ich habe den Wohnort gewechselt
aber immer noch
sehe ich hier Menschen
die dorthin gehören
erinnern mich kleine Hügel
an die grossen Berge
rührt lindes Weh
an den Schmerz
des Nichtgelingens
immer noch
und doch ist mein Leben eines

Mittwoch, 6. August 2014

Heute Stress - das beflügelt

Ich war schon in der Stadt. In der Akupressur. Beim Cappuccino. Am Einkaufen. - Ich habe schon gekocht. Couscous-Salat und überbackene Patissons. - Wir haben gegessen und Siesta gehalten. - Ich habe Kaffee gekocht. Einen Brief fertig geschrieben. Den allerdefinitivsten Ablauf für die Trauung/Taufe vom Samstag in ein Couvert gesteckt für den Pfarrer und gemailt für das Paar. Ich war beim Briefkasten. - Ich habe Ringelblumen geerntet und Verveine - Tee. Rosenblätter zum Trocknen ausgelegt.

Ich werde Kirschen entsteinen und zu Konfitüre verkochen. Herumtelefonieren für die Trauung/Taufe = "Traufe". Und ich werde meine Ansprache und die Zwischentexte abschliessen. - Alles heute. - Reto hat mindestens ebenso viel geleistet. Was sind wir doch fleissige Pensionierte!!!

Dienstag, 5. August 2014

ÜBERIRDISCH

Ab vier Uhr konnte man gestern erfahren, ob der Konzertabend auf im Schlosshof der Kyburg stattfinden könne, oder ob wir zum Stadthaus Winti  an den "Schärmen"zu gehen hätten. - Wenn schon "Kyburgiade" mit im Wettbewerb gewonnenen Tickets, so doch bitte zwischen Burgmauern, hohen Bäumen und unter dem Himmel, an dem die Fledermäuse fliegen!

Wir hatten Glück: "Über das Verlangen - Hohelied der Liebe" mit arabischem Gesang und Renaissancemusik fand unter freiem Himmel statt. Zwar fror ich noch zu Hause weiter, brauchte ein warmes "Chriesisteinsäckli" für die Füsse, aber es war überirdisch, eben knapp unter dem Himmel, was da geboten wurde. Die tiefe, warme, erotische Stimme von Ghalia Benali und die harmonischen Zusammenklänge der übrigen Sängerinnen und Sänger mit teilweiser Begleitung von Laute, Flöte, Cello und Trommel und der Wind in den Bäumen und in all den Plastikregenhüllen der gebannt Verharrenden - überirdisch. Ich glitt weg aus der kalten Gegenwart in die warmen Klänge, wurde mitbewegt von Ghalia Benali und erahnte das "Hohelied der Liebe", das Suchen, Sehenen und glückselige Finden. - "Ich bin brünstig" sang der erste Sänger. Darf man das?

Montag, 4. August 2014

Was ich am liebsten täte und was ich stattdessen tue

Reto rast mit dem Rasenmäher ums Haus herum. Das tut er richtig gern. Er hat gehofft, dass das Wetter hält, und er hat Glück. - Ich habe gestern wieder vier Seiten ins Erinnerungsbuch geschrieben, das ich für Enkelin Kaya in Arbeit habe. Je mehr ich mich hineinbegebe, desto mehr fällt mir wieder ein. Ich habe viele, viele Stichworte notiert und vermute, dass ich fünf, sechs oder mehr weisse Bücher füllen werde, wenn ich lange genug lebe und mich ran halte. Ich würde heute gern weiterschreiben.

Aber am Samstag darf ich wieder einmal oder noch einmal taufen und verheiraten mit Pfarrer Karl Muoser zusammen. Das gibt zu tun. Ich muss heute daran weiter arbeiten. Auch überlegen, ob ich heikle Themen ansprechen will, wenn ich das Paar morgen Abend zu einer letzten Besprechung besuche.

Später am heutigen Abend wartet ein Konzert auf Reto und mich. Mein Ehemann hat zwei Gratisbillette gewonnen bei einem Wettbewerb. Zwar will ich da noch nicht wirklich hin, aber es wird sicher grossartig sein. Manchmal kann man ja das verschieben, was man am liebsten täte - und erlebt dann Un-erwartetes, Un-gehörtes.

Sonntag, 3. August 2014

Den Weihrauch aus den Haaren...

Ich bin der katholischen Kirche entwachsen. Ich begegne ihr nur noch selten, und ich rege mich auch nur noch selten über sie auf. Aber gestern beim Lesen des Jahresberichts von "unicef" hat mich von weither Altbekanntes angeweht. Da stand:

"Kinder brauchen Schutz - alle, ausnahmslos. ... Aber viele Mädchen werden, kaum geboren, schon getötet. ... Die Diskrimierung ist als Rollenverständnis in manchen Gesellschaften fest verankert. ... Buben und Männer bestimmen nicht nur über die Angelegenheiten der Frauen, mancherorts sind auch religiöse Rituale den Söhnen vorbehalten."

Ich erinnere mich.

Heute kam es noch heftiger: In der NZZ am Sonntag ist ein Artikel über den "Schweizer Kampf mit dem Teufel" zu lesen - Allein im Bistum Chur seien zehn Geistliche als Exorzisten tätig. - Einer davon ist Domherr Christoph Casetti. Er spürt Dämonen auf und treibt sie aus; so rettet er Seelen. Manchmal hat er selbst ein mulmiges Gefühl, so wenn der Bordcomputer des Autos spukt oder besonders viele negative Mails kommen.

Darf das denn wahr sein!

Für mehr als heftiges Kopfschütteln reicht es aber nicht mehr bei mir. Ich gehe nicht mehr demonstrieren, protestieren. Es nützt nichts. Ich will nicht im Mittelalter stecken bleiben. Ich schüttle den letzten Weihrauch aus den Haaren und gehe fröhlicher der Zukunft entgegen. Ohne Angst vor Dämonen, denen es ja in Chur am wohlsten ist.

Samstag, 2. August 2014

Ikaria - meine neue Melodie

Einmal habe ich ein Buch gekauft - nur weil es einen geheimnisvollen Titel hat: "Ao tea roa - Insel der verlorenen Wünsche". - "Ao tea roa" habe ich tagelang vor mich hingesagt, gesummt, gejubelt. Ein bisschen spinnen darf ja jede.

Jetzt ist mir wieder der Name einer Insel vor die Füsse gefallen (ich bewahre zu Lesendes bodeneben auf): Ikaria. - Ikaria ist eine griechische Insel der Ägäis und hat rund 8000 Einwohner. Das Besondere? - Die Leute auf Ikaria werden durchschnittlich 10 Jahre älter als die Menschen im übrigen Europa. Das haben Forscher herausgefunden. Sollen uns die Gründe dafür erfreuen und anspornen!

Laut Ausagen von inselbewohnenden Alten und Uralten, die immer noch auf Bäume klettern und ihre Pfirsiche auch mit über 90 Jahren selbst pflücken, vergessen sie einfach zu sterben. Sie leben ohne Uhr (wer eine Uhr trägt, ist Tourist!). Sie leben mit der Sonne (die dort reichlich scheint), feiern oft und gern Feste und trinken genügend Wein. Gastfreundschaft ist ihnen heilig.

Eine Ärztin erklärt es so: die Leute auf Ikaria sind nicht glücklicher als Menschen anderswo, aber sie führen ein besseres Leben, weil sie aufeinander schauen, einander helfen, einander tragen in des Lebens Wechselfällen. Das Gemeinschaftsgefühl bewirkt, dass es auf Ikaria weniger Krebs, Herzinfarkte, Depressionen und Demenz gibt.

Welch schöner Brauch, alles stehen und liegen zu lassen, wenn Besuch kommt! Miteinander Kaffee, Tee und/oder Wein zu trinken. Bei jeder Gelegenheit aus dem Leben ein kleineres oder grösseres Fest zu machen. - Ikaria, Ikaria - meine neue Melodie!

Freitag, 1. August 2014

Anstelle des Tagesanzeigers auf dem Zmorgetisch

Ich habe ein weisses T-Shirt und ein rotes Halstüechli angezogen; es ist Erster August. Zum Zmorge gab es "Erschtougschtewegge" (1.August-Wecken). Reto hat das kleine beigelegte Papierfähnchen geschwungen. Dann haben wir uns dem heissen Kaffee gewidmet und dem Weggen mit viel Butter und Choco-Suenjo darauf , dem Brotaufstrich ähnlich Nutella von Altdorf, aber viiiiel besser (und teurer). - Und dann mussten wir uns unterhalten, weil heute keine Zeitung kommt.

Ich habe Reto nach dem möglichen Inhalt seiner hypothetischen 1.Augustrede gefragt. - Er würde eine Moralrede halten, meinte er achselzuckend. Weniger Lärm, weniger Müll, weniger Gestank. Von allem weniger, aber mehr Toleranz.

Ich würde beginnen mit dem Gefühl der Dankbarkeit, dass ich ZUFÄLLIG UND UNVERDIENT in einem Land leben darf, das schön ist, reich ist, frei ist und von so vielen Schrecknissen verschont, welche andere in der weiten Welt erleiden müssen. Ich würde für Solidarität plädieren. Das Boot ist nicht voll, wirklich nicht. Aber auch ich weiss, dass wir nicht alle aufnehmen können. Das ist mein Schmerz. Ich stelle mir vor, mein Grosskind müsste aus Syrien fliehen. - Klugheit und  Weitsicht sind gefragt und viel Mitgefühl, ihr hehren Mannen in Bern und anderswo!