Samstag, 17. Dezember 2011

Etwas ungewaschen

Das Pfarrhaus von Wassen liegt in tiefstem Mittagsschlaf. Die Welt liegt unter Schnee. Nichts kann uns stören - ausser ein wenig das schlechte Gewissen, weil ich gestern so locker vom "Abenteuer Schnee" geschrieben habe. Ich nehme alles zurück und rede von der "Weissen Gefahr", denn unterdessen habe ich gehört, was die lockere Pracht in den Seitentälern und auf dem Berg Gurtnellens bewirkt: Verschütteter Schneepflug samt Fahrer, der sich selbst wieder befreit. Kinder, die nicht heim können. Hausarrest wegen "Lauigefahr"(Laui=Lawine). Geschlossene Strassen, so dass wir nicht nach Meien und auf die Göscheneralp können. Deshalb, siehe oben, das Pfarrhaus liegt in tiefstem Mittagsschlaf.

Aber es läutet. Ich höre es wohl, aber soll ich öffnen, sind ja noch zwei weitere zu Hause? Keiner steht auf, also doch ich. Fenster öffnen im ersten Stock und fragen, wer da sei. - Zwei Gestalten mit Riesenrucksäcken.  Einer fragt, ob ich etwas zu essen hätte. Zu essen kann man keinem verwehren, aber ich möchte nicht allein sein mit denen. Wecke meinen Mann. Der brummt, dass ihn jetzt keiner..., und überhaupt muss er wieder arbeiten gehen, und jetzt will er...Zu essen wollen sie. Ich will nur nicht allein sein mit denen. Brumm, brumm...

Ich gehe öffnen. Deutsche sind es, kommen von Italien, wollen heim über Weihnachten. Ich mache heissen Tee und wärme den Rest Suppe von unserm Mittagessen, stelle Käse und Brot auf. Unterdessen kommt Reto dazu, und auch Pfr. Ernst Spichtig streckt den Kopf aus seinem Zimmer.

Geht nicht lange, sitzen wir alle um den Tisch und fragen und hören zu: Die zwei jungen Männer sind seit sieben Jahren ganzjährig unterwegs, bereisen per Autostopp die Welt und schlafen im Zelt. Wann denn, wenn nicht jetzt? sagt einer und schaut uns alte Leute an. Sie verrichten Gelegenheitsarbeiten, um ein wenig Geld zu verdienen. Sie wollen nichts geschenkt. Sie essen und erzählen und schippen nachher vor dem Pfarrhaus den Schnee weg. Und dann sind auch sie wieder weg, wollen uns nicht die Zeit stehlen.

Menschen sind verschieden, leben verschieden. Wer wollte sagen, was richtig ist. In unserer Wohnung riecht es ein wenig streng, etwas ungewaschen. Wir lüften nur kurz. Die Begegnung soll sich noch nicht verflüchtigen.

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