Freitag, 12. April 2013

Meine allererste Handtasche

Gestern stand sie noch auf einem halbleeren Gestell - meine allererste Handtasche. Heute wollte ich sie von nah fotografieren und im Klingklang ehren. Aber meine Hand griff ins Leere. Eingepackt. Von mir selbst. Ich erinnere mich.

Ich erinnere mich an meinen ersten Lohn als junge Lehrerin. Ungeheurer Geldbedarf. Nachholbedarf. Da habe ich mir meine allererste Handtasche gekauft. Unter anderem. Mit verschnörkeltem Metallhandgriff. Dreifarbiges Leder. Innenfächer. Taschenspiegel schon enthalten. "S' Wonder!". - Niemals hätte ich dieses gute Stück entsorgen können. Wäre ja damit ein Indiz einer wichtigen Lebensepoche weg gewesen. Materielle Unabhängigkeit. - "S'Wonder!"

Mit der Pensionierung hat sich eine neue, eine der letzten, Lebensepochen an mich herangeschlichen. Von hinten. Hängt sich an mich und macht mich ganz müde. Ich muss mich wohl nächstens umdrehen und ihr ins Gesicht sehen: Sie nennt sich "Alter". Sie ist verschwistert mit dem Tod. Er kommt näher.

Ingrid Riedel schreibt:
" Was letztlich ansteht...ist die Begegnung mit unserer Endlichkeit als einer begrenzten Lebenszeit...das Heranlassen der emotionalen Erfahrung, dass unser persönliches Sterben eines Tages ansteht, unausweichlich sein wird."

Ich habe meine allererste Handtasche gut eingepackt. Sie kommt mit mir in unsere nächste Wohnung, in die nächste Lebensepoche - und mit ihr all die kostbaren Erinnerungen an ein mittlerweile 64jähriges Leben. "Lechajim" wünschen sich die jüdischen Menschen am Freitagabend, wenn sie ein erstes Glas Wein erheben. "Lechajim" - auf das Leben!

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