Montag, 13. August 2018

Uorsin

Unsere neuesten Mitbewohner sind jung, sehr jung. Unter dreissig. Sie ist eine Sportlehrerin. Sie hat unserem Garten und unserer Katze geschaut, als wir in Guarda in den Ferien waren. - Gestern Abend brachte sie uns unseren Wohnungsschlüssel zurück. Wir erzählten vom Schälle-Ursli-Dorf und vom Schälle-Ursli-Weg. Waren wieder und immer noch begeistert. Da sagt die junge Lehrerin: "Schälle-Ursli???" - Für uns ein Kulturgut, mein Lieblings-Kinderbuch. Aber sie kennt es nicht. - Flugs habe ich mein zerfleddertes, von Alois Carigiet signiertes Exemplar hervorgeholt. Im Schnelldurchgang hat sich die junge Frau die Geschichte angeeignet. - Aber wir sind nachdenklich geworden. Unsere Favoriten, unsere Kultdinge sind späteren Generationen nicht mehr bekannt. Sie gehen verloren. - Stunden später, eine Nacht darüber geschlafen: Gehen sie wirklich verloren? Haben wir nicht in Guarda viele Kinder gesehen, die mit ihren Eltern durchs Dorf gingen und nur von einem redeten - vom Schälle-Ursli. Drei Geschwister haben sogar den Briefkasten von Guarda-Menschen auseinander genommen, weil sie überzeugt waren: Hier wohnt er, der Uorsin (rätoromanisch für Urs). - Alle Kinder haben so lebhaft vom Schälle-Ursli geredet, als lebte er. - Und ja, so lebt er wirklich, in echt. Er wird weiter gegeben. Auch von uns an eine junge Lehrerin.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen