Montag, 6. Oktober 2014

Schon, schon, schon

Eigentlich alle Leute, die ich kenne, klagen, dass die Zeit so schnell vergehe. Schon sei es wieder Herbst. Bald komme der Winter. - Mein Mann sagt: "Schon muss ich die Zehen- und Fingernägel wieder schneiden. Wachsen die eigentlich schneller als früher?"

Was bleibt von der Zeit, die angeblich so schnell vergeht? Und was wäre, wenn sie nicht schnell vergehen würde?

Auf dem Tisch steht der bunte Teller, den uns die Frauen vom Urner Oberland geschenkt haben. Er steht und steht und erinnert mich zuverlässig an den Besuch der lauten, lustigen, geliebten Frauen und ihren Fahrer. Die Zeit bleibt einen Moment stehen, wenn ich den kleinen grünen Kürbis und die allergattig Gemüserchen drumherum betrachte.

Daneben steht eine halbvolle Rotweinflasche. Auch ein Geschenk. Von gestern. Soll heute ausgetrunken werden. In Musse. Ohne dass die Zeit eilt.

Haben wir es ein bisschen selbst in der Hand, wie wir die Zeit erleben? Können wir sie anhalten? Können wir ihr einen Rhythmus geben? Können wir ihr Glanzpunkte abtrotzen? Oder sind wir dem "Schon, schon, schon" unterworfen. Ausgeliefert? - Die Zeit geht immer gleich schnell.

Überhaupt - sind es wirklich Klagen von uns, dass die Zeit so schnell vergehe, oder sind wir nicht froh, dass wir uns nicht langweilen müssen? Froh, dass uns die Zeit so und so viele Vorsätze zunichte macht, weil sie darüber hinweg fegt und schon Neues am Horizont aufscheint? - Die Zeit vergeht kaum mehr, wenn wir alt und unbeweglich im Körper und im Geist werden. Dann bleibt sie scheinbar stehen. Aber jetzt? - Schon ist es nach zehn Uhr morgens. Schon müsste ich die Fingernägel schneiden. Und es ist allerhöchste Zeit, den Tag zu planen.

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